COVID-19: Wer braucht wann wie viel Impfstoff?

21.09.2022

Analyse zeigt: Beschaffung und Abgabe müssen zusammen spielen - neue Omikron-Impfstoffe bringen neue Herausforderungen

Mit der Zulassung der neuen, an die Omikron-Variante angepassten, Impfstoffe und der Empfehlung des Nationalen Impfgremiums (NIG) zur vierten Corona-Impfung für alle ab 12 Jahren, ist auch ein Blick auf die Impfstoffversorgung interessant.

Wie im März berichtet, hat die dwh GmbH, in Kooperation mit der TU Wien und DEXHELPP, ein entsprechendes Rechenmodell für die Impfstoffversorgung in Österreich entwickelt. Für den Auftraggeber, das Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wurde mit diesem Modell der Impfstoffbedarf für Österreich untersucht.

Ziel dieses Modells war und ist einerseits den möglichen Bedarf an Impfstoffen zu ermitteln und damit immer die sichere Versorgung zu unterstützen und andererseits diesen Bedarf mit dem vorhandenen Impfstoff zu vergleichen. So kann ein mögliches Überangebot festgestellt werden und also auch entschieden, ob und wie viele Dosen an andere Länder weitergegeben werden können. Berücksichtigt wurde hierbei klarerweise auch die Haltbarkeit der Impfstoffe, also wann Impfstoffe weitergegeben werden müssen, damit diese von den Empfängern auch verwendet werden können. Die Parameter wurden dabei mit dem Gesundheitsministerium abgestimmt und orientieren sich an den aktuell gültigen Impfempfehlungen.

Darauf basierend wurden verschiedene Szenarien durchgespielt. Diese reichten von einer sehr geringen Impfbereitschaft bis zu einem, unrealistischen, extrem positiven Szenario, um eine absolute Obergrenze des Bedarfs abschätzen zu können. Bei diesem Szenario zur Obergrenze nimmt ein großer Teil der Bevölkerung Österreichs alle 4 Impfungen im Jahr 2022 in Anspruch. Diese Berechnungen wurden Ende des ersten Quartals 2022 durchgeführt. Ende des zweiten Quartals erfolgte ein Status-Update, basierend auf den aktualisierten Daten zu verimpften und bestellten Dosen.

Dabei zeigte sich in der ersten Analyse dieses Szenarios im März 2022, dass im Szenario zur Berechnung einer Obergrenze, bei einer Annahme von 16,7 Millionen noch durchzuführender Impfungen im Jahresverlauf, bis zum Jahresende 3,3 Millionen Impfstoffdosen ablaufen, wenn sie nicht vorher rechtzeitig an andere Länder gespendet werden. Bei der Aktualisierung der Zahlen zur Jahreshälfte würden unter den gleichen Bedingungen ca. 7,5 Millionen Impfdosen das Ablaufdatum zum Jahresende überschritten haben.

Zwei Aspekte haben die Analysen darüber hinaus gezeigt. Die genannten Zahlen stellen eine – für Entscheidungsträger zwar wichtiges Szenario – dar, nämlich jenes Szenario, dass in jedem Falle eine Versorgungssicherheit besteht. Realistische Annahmen zur Impfbereitschaft führen allerdings zu weitaus geringerem Bedarf und daher weitaus höheren Zahlen an ablaufenden Dosen. Andererseits wäre dann eine Vollversorgung im Falle des Falles nicht mehr gegeben. Wie damit umgegangen werden muss, sollte Teil einer transparenten gesellschaftlichen Diskussion sein. Übrigens nicht nur für Covid-19 sondern für alle versorgungsrelevanten Fragestellungen.

Und: Impfstoffe, die speziell auf neue Omikron Varianten abgestimmt sind, erhöhen laut aktueller Arbeiten die Bereitschaft sich impfen zu lassen. Das passiert unabhängig (bzw. nur mittelbar abhängig) von der medizinischen Evidenz, ob sie wirklich besser sind. Die Motivation der Menschen sich (für Herbst 2022) impfen zu lassen, hängt wohl direkt mit der persönlichen Einschätzung eines “besseren” Impfschutzes zusammen - wir Menschen denken uns quasi: “neue Besen kehren besser”. Das ist sehr wichtig, denn in einer informierten Gesellschaft, kommen medizinische Evidenz und persönliche, freie Entscheidung möglichst nahe zusammen. Das Austria Corona Panel Project hat diese Bereiche sehr erfolgreich untersucht und eine aktuelle Arbeit von Universität Wien und Medizinscher Universität Wien dazu ist gerade in Begutachtung (Update 4.10.2022: Preprint des Papers veröffentlicht; Update 27.3.2023: Das Paper wurde in Nature Medicine veröffentlicht). Aber dennoch sind wir auch dann weit von den - von Befürworten der Impfung als “Best Case Szenario” bezeichneten Fall, in dem sich 95% der Menschen impfen lassen - entfernt. Und die Steigerung dürfte dann wohl auch daran liegen (auch wenn hier keine Evidenz vorliegt), dass die neuen Impfstoffe die älteren Impfstoffe im künftigen Bedarf einfach “verdrängen”. Dadurch bleiben also eher mehr Impfstoffe übrig als weniger. Diese Analysen zum Verhalten und deren Impact auf Therapien (und auf Szenarien und Prognosen) sind wichtig um eine optimale Abstimmung zwischen Versorgungs- und Ressourcenplanung zu unterstützen.


Anmerkung zu den Annahmen:

Bei den optimistischen Szenarien „Obergrenze“ wurde davon ausgegangen, dass 95% aller Menschen, die eine zweite (dritte/vierte) Impfung erhalten haben auch eine dritte (vierte/fünfte) Impfung erhalten.